Edgar Rosenberger

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Edgar Rosenberger

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Alles dreht sich um den Kunden

Wenn jemand mit echter Leidenschaft im internationalen Einzelhandel unterwegs ist, ist das Edgar Rosenberger. Schon lange bevor über vertikale oder multichannel - Handelskonzepte gesprochen wurde, setzte er diese erfolgreich um. Heute bringt er sein Know-how in die Beratung von Unternehmern und auch Unternehmen ein. Sein Grundsatz: immer aus Sicht des Kunden denken.

Edgar Rosenberger blickt auf über 35 Jahre Erfahrung in der Mode- und Handelsbranche zurück. Er spricht fünf Sprachen fließend und pendelt zwischen dem Hauptsitz seines Unternehmens in Hamburg und internationalen Projekten auf der ganzen Welt.

Nach seinem Masterabschluss in Betriebswirtschaftslehre in Mannheim im Jahr 1977 startete er seine Karriere bei SAAB in Schweden und der Deutsch-Französischen Handelskammer in Paris. 1980 baute er das Filialnetz von H&M in Deutschland auf und leitete bis 1987 als Geschäftsführer die deutsche Tochtergesellschaft des schwedischen Modekonzerns.

Anschließend wechselte er als Gesellschafter und CEO zu ESPRIT Europe und steuerte dort den Wandel vom Großhändler zum Einzelhandelsunternehmen. 1992 gründete er IPURI – ein vertikal integriertes Retail-Konzept für Contemporary Fashion- und Lifestyleprodukte für Frauen und Männer. Das IPURI-Magazin wurde mehrfach als bestes Kundenmagazin Deutschlands ausgezeichnet.

Seit 2003 berät Edgar Rosenberger internationale Marken wie Beiersdorf, Burda, Deutsche Bank, Clas Ohlson, Dressmann, Deutsche Post, Escada, Harrods, Jack Wolfskin, HSV, Lambert, Ludwig Beck, Reima, Sportland, Stadium, Tchibo, The Phone House, Universal Music und Vossen – alle verbindet die Suche nach klarer Positionierung und starker Markenführung am Point-of-Sale.

Edgar Rosenberger ist kein klassischer Unternehmensberater, sondern er versteht sich vielmehr als Sparringspartner für Unternehmer. Er übernimmt nur Projekte, bei denen er nicht nur Strategien entwickelt, sondern auch deren Umsetzung begleitet. Er unterstützt Industrieunternehmen und Großhändler dabei, Handelskompetenz aufzubauen, und hilft internationalen Retail - Marken beim Markteintritt in Deutschland. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Beratung von Private-Equity-Investoren im Bereich internationaler Konsumgütermarken.

Edgar Rosenberger wurde 2011 von der Copenhagen Business School zum Honorarprofessor berufen und 2017 zum Honorarkonsul der Republik Mauritius in Hamburg ernannt.

Vor einiger Zeit sprach Edgar in einem Interview über die Herausforderungen des Mode - Einzelhandels und darüber, wie Konsumenten angesprochen werden müssen.

In den 1980ern haben Sie mit H&M das vertikal integrierte Modell im deutschen Markt etabliert, später ESPRIT vom Groß- zum Einzelhändler umgebaut und mit IPURI schon in den 1990ern kanalübergreifendes Denken eingeführt. Heute geraten Player wie PRIMARK, aber auch Online-Giganten wie AMAZON oder ZALANDO in die Kritik – zu Recht?

Die Kritik ist zum Teil berechtigt. Aber am Ende entscheidet der Kunde mit seinem Kaufverhalten. Viele Wettbewerber, die AMAZON oder ZALANDO kritisieren, übersehen, wie viel Macht der Kunde heute hat.

Was heißt das konkret?

Die textile Wertschöpfungskette ist heute stark konzentriert. Vertikale Unternehmen wie H&M oder ZARA sind schneller, günstiger und profitabler als klassische Multibrand-Händler. Reine Online-Player wie AMAZON oder ZALANDO punkten mit exzellenter Logistik und detailliertem Wissen über das Kundenverhalten. Sie liefern präzise das, was gefragt ist – dank Datenanalyse in Echtzeit. Beide denken konsequent vom Kunden her. Und genau darum geht es: Es dreht sich alles um den Kunden.

Wie sieht dieser Kunde heute aus?

Kunden erwarten heute ein Sortiment, das exakt zu ihren Bedürfnissen passt. Sie informieren sich online, kaufen aber oft offline – oder umgekehrt. Klassischer „Schaufensterbummel“ findet längst im Netz statt. Gleichzeitig sind die Erwartungen hoch – quer durch alle Zielgruppen.

Ist klassische Zielgruppen-Segmentierung noch sinnvoll?

Nur, wenn man neu denkt. Alter, Einkommen oder Bildung spielen heute eine untergeordnete Rolle. Entscheidend ist, zu welchen Lebenswelten und Werten sich Menschen zugehörig fühlen. Kunden erwarten differenzierte Angebote. Ein modernes Image und hohe Qualität setzen sie längst in allen Preislagen voraus. Vertikale Marken wie H&M, ZARA oder UNIQLO haben Design demokratisiert.

Ist das mittlere Marktsegment noch zukunftsfähig – oder stirbt es zwischen billig und Luxus aus?

Nein, das sehe ich differenzierter. Das mittlere Segment teilt sich in eine untere und eine obere Mitte. Die untere Mitte ist stark umkämpft – dort dominieren vertikale Anbieter. In der oberen Mitte gibt es noch viel Potenzial. Marken wie COS, ARKET oder Massimo Dutti zeigen, dass sich hier mit klaren Konzepten Wachstum erzielen lässt. Das Internet hat die Grenzen zwischen den Segmenten ohnehin aufgeweicht.

Und gleichzeitig sind Kunden heute sehr gut informiert...

Richtig, viele wissen mehr über ein Produkt als der Verkäufer. Transparenz ist Pflicht. Auch kleine Marken können heute schnell internationale Reichweite erzielen – wenn sie glaubwürdig sind.

Sind die großen Marken nicht längst überholt?

Ganz und gar nicht. Aber sie müssen sich klarer positionieren, ihr Sortiment differenzieren und auch am Point-of-Sale überzeugen. Wer Produkte aus Kundensicht denkt, kann erfolgreich sein. Nischenanbieter mit klaren Konzepten gewinnen Marktanteile. Inditex macht es mit seinen Marken schon lange vor – H&M ist später mit COS, ARKET und & Other Stories gefolgt.

"Emotionen schaffen" – oft gehört, selten erklärt. Wie geht das, besonders online?

Viele Multibrand-Händler sammeln nur starke Marken, ohne ein eigenes Profil zu schaffen. Entscheidend ist die Mischung, die Inszenierung – das eigene Gesicht des Händlers. Innovation und Differenzierung sind zentral. Wer es schafft, Kundenerwartungen zu übertreffen und zu überraschen, macht den Unterschied – offline wie online.

Wer macht das heute gut?

Ralph Lauren, auch wenn das Innovationstempo nachgelassen hat – er versteht es, Geschichten zu erzählen. Und H&M sowie ZARA sind führend im Omnichannel. Für vertikale Händler ist das einfacher als für klassische Großhändler, die wenig eigene Verkaufsflächen haben.

Wo besteht Nachholbedarf?

Bei vielen stationären Händlern – vor allem bei Eigenmarken und beim Personal. Viele führen Eigenmarken ein, um Einstiegsangebote zu schaffen oder Margen zu verbessern. Aber nur wenige schaffen es, daraus echte Marken mit Wiedererkennungswert zu machen.

Warum?

Es fehlt an einer klaren Markenstory – mit eigenem Design, klarer Bildsprache, Verpackung, Kommunikation. Der Unterschied zwischen einer austauschbaren Eigenmarke und einer echten Lovebrand ist gewaltig. Hinzu kommt: Im stationären Handel sind gute, motivierte Mitarbeiter Mangelware. Wer an Service spart, verliert.

Was bedeutet guter Service für Sie?

Guter Service ist nicht laut - aber er wirkt. Wenn ein Kunde ein Geschäft oder eine Website mit einem guten Gefühl verlässt, war der Service gut. Die Ansprüche steigen – das hat Amazon mit seinen Prozessen vorgemacht. Im stationären Handel ist der Mensch entscheidend: Selbst die beste Marke scheitert, wenn das Verkaufsteam sie nicht lebt.

Aber haben wir uns nicht längst ans Selbstbedienen gewöhnt – Supermärkte, Banken, Bäckereien?

Ja, aber je nach Bedürfnis erwartet ein Kunde heute sehr unterschiedliche Serviceleistungen. Das Internet hat Standards gesetzt – und den stationären Handel massiv unter Druck gesetzt.

Gutes Personal zu finden ist schwer – gerade bei einfachen Jobs...

Das war noch nie leicht. Jobs im Online-Bereich gelten als attraktiver – auch wenn sie oft nicht besser bezahlt sind. Es fehlt an guter Ausbildung und Perspektiven im stationären Handel. Der Mangel an Azubis zeigt das deutlich. Dabei bieten Omnichannel und moderne Handelskonzepte eigentlich viele neue Chancen.

Was braucht es für ein starkes Retail-Konzept oder eine erfolgreiche Marke?

Ein starkes Produktangebot – das ist die Basis. Dann kommt die Inszenierung – im Store wie online. Kommunikation und motivierte Mitarbeiter sind entscheidend. Und die Prozesse müssen sitzen: Logistik, Warenmanagement, IT. Alles muss greifen wie Zahnräder. Die Marke ist nur so stark wie ihr schwächstes Glied.

Und was macht einen guten Store aus?

Der Standort. Ein guter Mietvertrag. Ein Storedesign, das die Marke erlebbar macht. Gute Visuals. Und Partner mit ins Boot holen, wenn die eigene Kompetenz nicht da ist. Online gilt das Gleiche – Marken müssen auch digital durchgängig sichtbar sein.

Braucht jeder stationäre Händler heute einen Onlineshop?

Nicht zwingend. Die Modemarke NEW YORKER zeigt, dass Erfolg auch ohne E-Commerce möglich ist. Aber wer Kunden über mehrere Kanäle ansprechen will, braucht stationär wie digital Präsenz. Rund 40 % der stationären Käufer informieren sich vorher online – meist mobil. Omnichannel bedeutet für den Kunden: ein nahtloses Einkaufserlebnis. Woher eine Marke ursprünglich kommt – ob H&M als Retailer, BOSS als Hersteller oder AMAZON als Online – Plattform – das interessiert den Kunden nicht. Entscheidend sind Wert und Verfügbarkeit.

Was heißt das für das Markenbild?

Glaubwürdigkeit – und immer wieder auch Nachhaltigkeit. Das Image wird nicht mehr von der PR-Abteilung eines Unternehmens erzählt, sondern von Kunden und Influencern. Produkte, Stores, Verpackungen – das lässt sich gestalten. Aber das Markenbild entsteht draußen. Es bleibt dabei: alles dreht sich um den Kunden.

Der Handel ist wichtig – aber die Wertschöpfung beginnt doch viel früher...

Natürlich sind Herkunft der Ware und Produktionsbedingungen relevant. Aber der entscheidende Moment ist der Kontakt mit dem Kunden – online oder offline. Der Kunde bestimmt. Der Handel ist der entscheidende Punkt in der Wertschöpfungskette.

Warum wirken dann viele Konzepte so ideenlos? Fehlt es an Kreativität?

Ideen gibt es genug. Aber oft fehlt es an einem ganzheitlichen Konzept – oder schlicht am Geld für die Umsetzung. Wirklich langweilig wird es, wenn sich auf jeder Handelsfläche die gleichen Shop-in-Shop-Konzepte wiederfinden. Pop-up-Stores bringen wenigstens Überraschungen – online sind Start-ups oft mutiger. Doch viele scheitern – auch mit guten Konzepten – weil die Finanzierung nicht klappt und damit die kritische Masse nicht erreicht wird.

Und was braucht es am meisten?

Vor allem Mut und Leidenschaft. Wer für eine Idee brennt, setzt sie mit Engagement und Freude um. Man zählt nicht die Stunden, wenn man etwas mit Liebe macht.